PMDGs Boeing 737-800 vs. -700/-600 – lohnt der Umstieg? – simFlight.DE (2024)

Auf PMDGs Umsetzung der Boeing 737 haben viele Simmer seit Start des MSFS sehnsüchtig gewartet. Im Mai 2022 war es dann soweit: Das Entwickler-Studio um Robert Randazzo brachte die 737-700 als erste Variante der Baureihe auf den Markt (HIER geht es zum ausführliche simflight.de-Review). Im Juli folgte dann die Kurzversion 737-600, die es immerhin auch zum etwas schmaleren Preis gab.

Seit August ist die wohl bekannteste und mutmaßlich beliebteste Version des Boeing-Bestsellers für den MSFS erhältlich. Doch unterscheidet sich die “738” überhaupt so sehr von den vorherigen Addons, dass sich der Kauf für Vorbesitzer noch lohnt? Wir werfen einen Blick auf das neueste Pferd im PMDG-Stall – im simflight.de-Cross-Check.

Die realen Vorbilder und Unterschiede

Wie schon die Varianten -600 & -700 gehört auch die Boeing 737-800 zur sogenannten NG-Reihe. NG steht hierbei für “Next Generation”. Um der Airbus A320 Paroli bieten zu können, sollte diese Reihe mit neuer Avionik, moderneren Triebwerken und neu konstruierten Tragflächen Käufer anlocken. Alle Varianten sind “Kinder der 90er-Jahre”, weisen aber dennoch kein Fly-by-Wire auf, mit dem Airbus so sehr am Sockel der alten Dame Boeing rüttelte.

Mit fast 5000 Auslieferungen ist die 737-800 die kommerziell erfolgreichste Variante aus der NG-Familie. Im Direktvergleich mit -600 und -700 ist sie die Längste und Schwerste: 39,5 m gegenüber 33,6 m (-700) bzw. 31,2 m (-600) sowie 41,4 Tonnen Leermasse gegenüber 37,6 t bzw. 36,4 t. Während Spannweite, Höhe, Rumpf- und Kabinenbreite bei allen drei Varianten identisch sind, kann die -800 maximal 189 Passagiere befördern und damit 40 mehr, als die maximal 149 Passagiere bei den beiden anderen Varianten. Das daraus resultierende höhere Gewicht geht natürlich zu Lasten der benötigten Startstrecke: Während die kurze -600 gerade einmal 1,6 Kilometer braucht, um abzuheben, muss die -800 dafür 500 Meter mehr zurücklegen (= 2,1 km).

Was wird geboten

PMDG bietet ein Flugzeug-Addon, das annähernd Study-Level bietet, ein extrem detailliertes co*ckpit sowie ein exzellentes Außenmodell inklusive Kabine umfasst. Soweit, so gut, denn das ist bei den anderen beiden Varianten nicht anders.

Aus Marketing-Sicht verspricht PMDG beim Kauf der 737-800 vier bzw. sogar fünf Flugzeuge: Die normale Passagierversion mit “blended winglets”, die Passagierversion mit den “Split-Scimitar winglets”, die zwei Frachtvarianten BCF und BDSF sowie der Privatjetumbau BBJ2.

Während die 737-600 nur in der einen erhältlichen Passagierausführung daherkommt, ist auch im Vergleich zur -700 bei der -800 ein Tick mehr im Paket – denn die BCF-Variante gibt es bei der -700 nicht.

Ansonsten aber ist auch auf der Homepage der Entwickler zu sehen, dass der Produktumfang der beiden letztgenannten NG-Versionen nahezu identisch ist. Macht man sich die kleine Mühe und legt die Feature-Übersicht auf zwei Browser-Tabs, kann man lustig hin- und herschalten und wird so gut wie keine Unterschiede in der Auflistung finden. So muss der Produktumfang in der Tiefe hier nicht weiter erläutert werden – mehr Infos hierzu liefert das simflight.de-Review zur 737-700.

Was selbstverständlich sein sollte, aber dennoch hier kurz erwähnt wird: Die enorme Vielzahl an Konfigurations-Optionen (wie etwa zwei unterschiedliche Autopilot-Ausführungen, optionale “Eyebrow”-Fenster oder diverse Wi-Fi-Antennen) steht auch bei der 737-800 zur Verfügung. Allerdings ist all das auch hier wieder nur (vorläufig) über das FMC zu bedienen. Denn auch wenn es nach vorherigen Ankündigungen längst da sein sollte, ist das EFB zur 737-Reihe von PMDG immer noch nicht fertiggestellt und soll per Update nachgeliefert werden. Wann genau, dazu gibt es noch keine feste Zusage (Stand: Anfang Oktober 2022).

Was mit dem Release der PMDG 738 doch dazu kam, sind kleine, aber feine Gimmicks wie ausziehbare Sonnenblenden und bewegliche Leseleuchten im co*ckpit. Das Bewegen Letzterer hat tatsächlich Auswirkungen auf die Beleuchtung und somit auf die Bedienung der Instrumente – schicke Sache. Allerdings: Diese Features haben auch die anderen beiden Varianten per Update nachgeliefert bekommen.

Außenmodell – Schönheitsfehler ausgemerzt?

Allgemein gesprochen und wie schon zuvor erwähnt: Das eigentliche Flugzeugmodell ist auch bei der 737-800 wieder absolut hervorragend. Es gibt Reflexionen, Schmutzablagerungen, kleine Furchen und lauter feine Details wie Pitot-Röhrchen oder kleine Luftleitbleche. In den Turbinen sind die einzelnen Schaufeln dargestellt und am Fahrwerk entdeckt man Kabel und Leitungen. All das wertet ein Flugzeug-Addon enorm auf.

Einen optischen Unterschied – abgesehen natürlich von der Länge des Rumpfes – findet man am unteren Heck: Da die 738 zu Tailstrikes neigt (ebenfalls begründet durch die Länge) weist sie dort einen sogenannten Tailskid auf, der im weitesten Sinne als Knautschzone dient.

An den Enden der Tragflächen lassen sich per FMC-Optionen die Split-Scimitar-Winglets einbauen (-> “Performance Package” ist das Zauberwort, nachdem im Optionsdschungel gesucht werden muss). So seltsam diese manchmal anmuten, so sind sie doch exakte Abbilder der Realität. Bei der 737-600 werden diese Anbauteile gar nicht verwendet, weswegen sie sich beim Addon natürlich auch nicht finden. So ist’s Recht!

Ansonsten aber gibt es kaum sichtbare Differenzen zu den -700 und -600-Modellen. Der Fahrwerkschacht ist immer noch nicht in 3D modelliert. Was kein Beinbruch ist, denn dort guckt man ohnehin außer für solche Tests hier nicht wirklich rein. Allerdings wurde auch hier davon gesprochen, diese Arbeit nachzuliefern. Was tatsächlich sowohl bei der -700 als auch jetzt bei der -800 zu finden ist, ist eine arg pixelige Leiste schräg oberhalb des vorderen Einstiegs. Hier wird am deutlichsten, dass offenbar große Teile des Modells übernommen wurden. Immerhin: Die bei der -700 matschigen Texturen der Bereifung sind bei der 738 deutlich schärfer – liegt aber eventuell auch an einer anderen Livery?

Kabine und co*ckpit

Beim Review zur 737-700 habe ich noch die Kabine beanstandet, die mir dort etwas zu trist und teils handwerklich unschön texturiert gewesen war. Hier macht die 738 einen Sprung nach vorne. Eventuell hat beim Testflugzeug auch die Livery ein wenig das Bild verzerrt, aber die Netze an den Sitzrücken sowie die darin integrierten Bildschirme fürs Onboard-Entertainment stammen schon vom PMDG-Modell. Die Haptik der Polsterung, die lose liegenden Anschallgurte und der Teppich auf dem Boden überzeugen deutlich mehr, als sie es zuvor taten. Geschenkt, dass die Schrift auf den hinteren Toiletten grob pixelig ist – hier wurde wohl tatsächlich neue Arbeit investiert, schön!

Das co*ckpit ist auch bei der 738 eine Wucht, wenn auch eine bekannte. Die Tasten sind abgenutzt, das Fell auf den Sitzen ist spürbar und Dinge wie Kleiderbügel in der Ecke, aufbewahrte Pins oder der Feuerlöscher bringen unheimlich Leben in die Bude. Einen winzigen Unterschied findet man am Panel für die Packs: Da deren System bei der -800 eine “Klimazone” mehr aufweist, gibt es auch einen Recirc Fan mehr zu bedienen.

Die bereits erwähnten Sonneblenden und Leselichter sind eine schöne Ergänzung, mehr aber auch nicht. Insgesamt aber ist völlig nachvollziehbar, warum bei der 738 nichts am co*ckpit verändert wurde – dafür ist es einfach zu gut. Wenn überhaupt auf höchstem Niveau gemeckert werden sollte: Vielleicht hätte man zumindest eine Aufkleber oder Bügel verrücken können, um sich zu unterscheiden. Aber ändert das was am eigentlichen Fliegen? Nein – also muss es auch nicht erzwungen werden.

Bedienung und Flugverhalten

Wie schon bei den anderen beiden Varianten ist es auch mit der 737-800 eine absolute Freude in die Luft zu gehen. Allzu tief will ich hier gar nicht darauf eingehen – unser Review zur -700 spiegelt das schon sehr gut wieder.

Natürlich ändern Länge und das erhöhte Gewicht am meisten daran, wie sich ein Flug gestaltet. Man merkt im Direktvergleich, dass sich die 738 träger verhält als ihre Schwestern. Eine Rotationsgeschwindigkeit knapp unter 160 Knoten bei einer vollbeladenen Maschine ist schon eine andere Hausnummer. Generell verlangt das Abheben ein wenig mehr Fingerspitzengefühl, wenn man nicht den Tailskid strapazieren möchte. Hebt sich die Nase, sollte zunächst ein flacherer Anstellwinkel gewählt werden, ehe sich das Flugzeug stabilisiert. Dann kann sanft steiler gezogen werden. Im besten Fall ergibt alles eine ganze große, weiche Bewegung. Das zu üben, macht Spaß und bietet eine nette neue Herausforderung.

Die Steuerung ist weiterhin erfreulich direkt und man spürt definitiv, dass man ohne fly-by-wire ordentlich arbeiten muss, um solide wieder zum Boden kommen zu können. Da macht die größere Trägheit sich natürlich auch gut bemerkbar. Feinheiten wie etwa das Lösen der Parkbremse, das nur bei gleichzeitigem Druck auf die Pedalbremse funktioniert, sind perfekt simuliert – gibt es aber nach dem Updates auch längst bei den vorherigen PMDG-Varianten.

Was nach wie vor Fluch und Segen zugleich ist, ist die Funktions- und Optionsvielfalt, die die fast unzähligen Konfigurationsmöglichkeiten des FMC mit sich bringen. Einerseits ist es toll, dass ich zwischen Karbon- oder Stahlbremsen oder der Art und Weise wählen kann, wie bestimmte Funktionen des Autopiloten berechnet werden. Aber die Menüführung über das FMC ist eine Katastrophe – auch mangels Erläuterung, was ein Knopfdruck bewirkt. Hier ist dringend Verbesserungsbedarf, den das längst erwartete EFB hoffentlich liefern wird.

Alles in allem macht aber eigentlich jeder Flug einen Heidenspaß und dank verbesserter Stabilisierung des Addons endet dieser deutlich seltener auf dem Desktop, als bei den ersten Builds.

Nach insgesamt zehn Flügen mit PMDGs 737-800 bleibt festzuhalten: Man will dieses Flugzeug einfach fliegen. Was Fenix’ A320 für die Airbus-Jünger ist, ist diese Boeing für die Freunde der Flugzeuge aus Everett. Dieses Addon setzt mit all seinen Varianten einen Meilenstein und Benchmark für Flugzeug-Addons im MSFS – fliegerisch wie optisch.

Nun aber zum großen “Aber” – denn dieser Check stellte ja die Frage, ob sich für Besitzer der Varianten -600 und/oder -700 der Kauf wirklich lohnt. Und das tut er ehrlich gesagt nicht. Der einzige große Pluspunkt derzeit ist: Es ist eine verdam*** 737-800! Dieses Flugzeug ist nicht nur bei Airlines angesagt, sondern hat auch einen sehr großen Freundeskreis. Und natürlich will man mit genau dieser Variante die simulierte Welt erkunden – wenn schon 737, dann “richtig”.

Und genau damit hat PMDG leider gespielt. Denn es gibt bislang keiner Bundles oder auch nur ansatzweise Rabatt für Besitzer anderer Varianten. Es ist keine Neuheit, dass man den Amerikanern durchaus vorwerfen darf, mit der Vorfreude und Ungeduld der Käufer gespielt zu haben, indem sie zunächst eben nicht die -800, sondern die -700 veröffentlicht haben. Diese kostet eben genau die 70 US-Dollar, die auch für die 738 hingeblättert werden müssen.

Besitzt man bislang keine PMDG-737, ist dieses Geld zwar nicht wenig, aber absolut lohnend investiert. Alle anderen müssen sich selbst fragen, ob sie für ein um 5 Meter gestrecktes 3D-Modell und kleine Verbesserungen der Kabine eben nochmal genauso viel Geld auf den Tisch legen wollen, wie sie es vorher schon getan haben.

Zugegeben: Es wurde zuvor hinlänglich von PMDG kommuniziert, dass sie so vorgehen würden. Und ein vollkommen anderes Flugzeug wird wohl kaum jemand erwartet haben, da es sich eben um Untervarianten des selben Typs handelt. Einerseits ist der Vollpreis für Bestandskunden sicher schwer zu akzeptieren, andererseits sind die einzelnen Varianten damit aber jeweils deutlich preiswerter als noch zu P3D-Varianten geworden, und das ist ja auch mal was.

Wem es rein ums Fliegen geht und bei wem das Außenmodell nur eine untergeordnete Rolle spielt, der sollte sich die 737-600 genauer ansehen. Ja, sie ist leichter, kleiner und damit agiler. Aber das Level dieses Addons zum halben Preis der beiden anderen Varianten (also 35$) ist ein verdammt gutes Angebot.

Zusammengefasst: Für Neukunden ist PMDGs 737-800 ein absolutes Muss – für alle anderen ein teures Prestigeobjekt.

Informationen

ProContra
  • Eine 737-800!
  • Großartige Optik außen wie innen
  • Flugverhalten setzt Maßstäbe
  • Hoher Preis, erst recht für Bestandskunden
Testsystem
  • Entwickler: PMDG
  • Preis: 74,99$ (derzeit 69,99$)
  • Kauf: PMDG
  • AMD Ryzen 5 1500X Quadcore, 3,5 GHz
  • GeForce GTX 1050 Ti, 4 GB
  • Windows 10×64, 32 GB Hauptspeicher

Patrick T.

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